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Abitur2008

 

Foto: Reinhard Franzen, Emil-Possehl-Schule


Festrede: Torsten Oelke, Emil-Possehl-Schule

Begrüßung

Liebe Eltern, liebe Kollegen vor allem aber liebe Abiturientinnen und Abiturienten: Herzlich willkommen zur diesjährigen Entlassungsfeier des Beruflichen Gymnasiums der Emil-Possehl-Schule.

Zunächst einmal auch von meiner Seite:

Herzlichen Glückwunsch zu eurem bestandenen Abitur!

Ich möchte ihre Aufmerksamkeit an dieser Stelle auch in Richtung Projektionsfläche lenken. Meine Abirede basiert auf einer audiovisuellen Konzeption.

Das bedeutet: Es gibt etwas zu hören und zu sehen.

Leider besteht in diesen Räumlichkeiten nicht die Möglichkeit, die Position oder die Größe der Leinwand zu verändern. Für die Zuschauer, die sich dazu entschieden haben sich weit auf die linke Seite zu setzen, kann ich nur hoffen, dass sie über ausreichend Phantasie verfügen, um die doch eingeschränkte Sicht durch eigene Bilder gedanklich zu ergänzen.

 


Powerpoint-Präsentation zur Abiturrede 2008

 

Die letzten Klausuren sind geschrieben, die mündliche Prüfung ist vollzogen. Ihr habt euer Bestes gegeben und könnt nun gelassen der Zeugnisübergabe entgegenblicken.
Die Zeit der scheinbar endlosen Prüfungen ist erst einmal vorbei und damit auch die Zeit der Klausurvorbereitungen. Sicherlich ist für euch das ein oder andere Mal eine Nacht oder ein Wochenende kürzer ausgefallen als ihr euch das vielleicht gewünscht hättet.
Aber ich bin davon überzeugt, dass die Früchte eurer Arbeit jetzt umso süßer schmecken.

Ich stehe hier stellvertretend für alle Fachbereiche dieser Schule in denen ihr in vielen Kursen eurem Abitur in den letzten Jahren entgegengestrebt habt und möchte natürlich auch im Namen aller Kollegen Glückwünsche an euch richten, bevor ihr vielleicht endgültig diese Schule verlassen werdet.

Die Bautechniker würden also sagen:
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten. Ihr feiert nun euer Richtfest. Herzlichen Glückwunsch.

Denkt aber daran, dass das Dach noch nicht gedeckt ist. Das wird die Aufgabe, die ihr als nächstes zu bewältigen habt.

Die Datentechniker oder Informatiker würden sagen:
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten. Den Lösungsalgorithmus habt ihr erfolgreich in der Planungsphase aufgestellt. Herzlichen Glückwunsch.

Denkt aber daran, die Planung muss noch in euer zukünftiges Berufsleben implementiert werden.

Die Elektrotechniker würden sagen:
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten. Ihr habt es geschafft die Brückenschaltung erfolgreich abzugleichen. Herzlichen Glückwunsch.

Denkt aber daran, dass ihr im weiteren Berufsleben keinen Kurzschluss erleidet, wenig gegen den Strom schwimmen müsst und nicht jeden Tag geladen zur Arbeit geht.

Ein Maschinenbauer (und dazu zähle ich mich auch) würde sagen:
Liebe Abiturientinnen und Abiturienten.

Das habt ihr gut gemacht. Viel Spaß auf eurer Party!

Rückblick

Lasst uns gemeinsam gedanklich noch einmal ein paar Jahre in die Vergangenheit gehen. Bitte erinnert euch an euren ersten Tag an dieser Schule. Euer Ziel hattet ihr euch gesteckt. Ihr wolltet das Abitur bestehen.

Zugegeben, das Ziel Abitur 2008 ist kaum zu lesen. Es war noch so weit weg.
Vor euch lag eine scheinbar unendliche Anzahl von mehr oder weniger interessanten Unterrichtsstunden mit einer Reihe von unterschiedlichen Lehrern, die ihr noch nicht kanntet. Vor euch lagen auch unzählige Klausuren, die geschrieben werden und in ebenso unendlichen Stunden korrigiert werden mussten.

Am ersten Tag wart ihr erfahrungsgemäß noch ein wenig orientierungslos und beispielsweise mit der Klassenraumsuche beschäftigt.

Bei einigen von euch dauerte der Prozess des Suchens sogar mehrere Jahre an.
Kurz gesagt: Ihr musstet erst einmal euren Rhythmus finden, mit dem ihr den Schulalltag meistern konntet.

Wenn Menschen sich zusammenfinden, um beispielsweise gemeinsam zu musizieren, so kann das nur funktionieren, wenn alle sich auf einen bestimmten Rhythmus geeinigt haben. Herr Bruns (unser geschätzter Musiklehrer für Takt, Rhythmus, Harmonie und Tonart) würde mir Recht geben, wenn ich behaupte, dass ein Rhythmus nicht nur gefunden, sondern auch über eine bestimmte Zeit gehalten werden muss.

In einer Band oder Kapelle fällt diese Aufgabe dem Schlagzeuger zu.

Einige aus euren Reihen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, haben im Laufe ihrer Schulzeit einen Rhythmus gefunden, der beispielsweise ein Eintreffen zum Unterricht gegen 8:10 Uhr oder auch später vorsah. Hier war es dann Aufgabe des Lehrers euch mitzuteilen, dass ihr euren gefundenen Rhythmus so auf die Dauer nicht halten könnt.

Man kann sich nun die Frage stellen, welche Hilfen kann eine Schule unter Anderem anbieten, damit Schüler schnell ihren Rhythmus finden und halten können.

In all den Schuljahren habt ihr sie etliche Male gehört. Zu Beginn einer Unterrichtsstunde war sie es, die euch dazu aufforderte, in Richtung Klassenraum zu gehen. Und sie war es auch, die unmissverständlich das Ende einer weiteren Unterrichtsstunde besiegelte. Sie ist in einer Schule kaum wegzudenken. Gemeint ist die Schulglocke, die Tag für Tag den Rhythmus vorgibt, nach dem sich die Schüler und Lehrer bewegen.

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten:
Ihr müsst nun einen neuen Rhythmus finden, ohne die Unterstützung unserer Schulglocke. Wie man seinen Rhythmus findet und hält, dass haben wir versucht euch hier an der Schule beizubringen. Der beste Beweis dafür, dass ihr Rhythmus im Blut habt, ist euer bestandenes Abitur. Das am ersten Tag kaum erkennbare Ziel "Abitur 2008" lässt sich jetzt nicht mehr übersehen.

Selbst unser Bundespräsident Horst Köhler nahm Notiz davon und ließ es sich nicht nehmen, am 17. Juni in seiner Berliner Rede die Bedeutung der ABIs 2008 Nachdruck zu verleihen. Herr Köhler hat sie dazu aufgefordert, an den drei großen Zielen unseres Landes zu arbeiten. A für das Schaffen von Arbeit und Einkommen zur Erreichung ihrer materiellen Freiheit. B für die Weiterqualifizierung von Bildung und I für das Schaffen von Zusammenhalt und politischer Freiheit durch gesellschaftliche Integration.

Nicht nur Geld allein

Es ist noch gar nicht so lange her, da wussten die Schülerinnen und Schüler zum Zeitpunkt ihres Schulabschlusses, in welche Bahnen ihr Berufsleben verlaufen würde. Die Sache war klar: Man wählte einen Beruf, erlernte was dazu nötig war und übte diesen dann jahrelang, oft sogar ein ganzes Leben lang aus.
Wir leben in einer Zeit, in der sich Arbeitswelten fundamental verändern. Die Welt ist schnelllebiger geworden. Technik verändert sich. Das was heute gilt, kann morgen schon ganz anders sein.
Wenn wir Schritthalten wollen, dann dürfen wir nicht auf der Stelle stehen bleiben. Das gilt für euch, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, aber auch in besonderem Maße für uns Lehrer, die den Unterricht an die moderne Technik und Didaktik ausrichten müssen, um auch die Schüler von morgen wieder mit bestem Wissen und Gewissen auf die berufliche und gesellschaftliche Zukunft vorbereiten zu können.

Unsere Schüler vertrauen darauf!

Wir dürfen sie nicht enttäuschen!

Wenn ich meine Schüler so frage, warum sie sich nach dem Abitur für den einen oder anderen Weg entschieden haben, so bekomme ich unter anderem die folgenden Antworten:

  • Ich habe mich schon einmal erkundigt. In meinem neuen Job werde ich einmal eine Menge Geld verdienen.
  • Ich suche mir einen gut bezahlten Halbtagsjob und werde Lehrer.

Ich möchte euch, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, Folgendes mit auf den Weg geben:

Werdet nicht Ingenieur, weil Deutschland Ingenieure braucht. Nein! Werdet Ingenieur, wenn ihr Technik liebt.

Werdet kein Lehrer, wenn ihr darauf hofft, viel Freizeit zu bekommen und wenig dafür tun zu müssen. Nein! Werdet Lehrer, wenn euch die Arbeit mit Jugendlichen Spaß macht.
Sollte euer Herz für die Literatur, Geschichte oder Sprachen schlagen, so solltet ihr euch nicht davon abhalten lassen diese Interessen fest mit eurer Zukunft zu vereinen.

Ich möchte euch also ermutigen, euren Interessen und Leidenschaften zu folgen, sofern ihr diese bereits gefunden habt. Wenn nicht, dann begebt euch auf die Suche.

Nutzt auch die Gelegenheiten ins Ausland zu gehen und einen Teil der weiteren Ausbildung dort zu absolvieren. Auslandsaufenthalte werden in fast allen Berufsfeldern vorausgesetzt, wenn ihr einmal Karriere machen wollt. Sich in eine neue Umgebung, ein neues Land zu integrieren ist eine Erfahrung, von der man in vielerlei Hinsicht profitiert. Zweifellos zählt eine interkulturelle Kompetenz natürlich auch zu den Schlüsselqualifikationen in unserer sich immer stärker globalisierenden Gesellschaft. Sollte es euer Wunsch sein liebe Abiturientinnen und Abiturienten, diese Erfahrungen machen zu wollen, so besteht an vielen Hochschulen die Möglichkeit dazu, entsprechende Auslandssemester in das Studium zu integrieren.

Ähhm !

Liebe Eltern! Nun schauen sie mich nicht so entsetzt an!
Der Abschied ist ja nicht für immer !!

Kompetenzen für die Zukunft

Die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt haben sich stark gewandelt. Die Technik verändert sich rasend schnell, so dass ihr euch immer wieder neuen Themengebieten stellen müsst.

Es geht schon lange nicht mehr ausschließlich darum, euch mit dem Erreichen des Abiturs eine rein fachliche Kompetenz zu bescheinigen. Die Aufgaben, die nun vor euch liegen, fordern weit mehr als das.
Im Lehrplan, an den wir Lehrer uns zu halten haben, werden diese besonderen Anforderungen berücksichtigt.

Oh, wie ich sehe besteht hier erhöhtes Interesse und aus diesem Grund habe ich ihnen und euch auch einen Teil des Lehrplans des beruflichen Gymnasiums kopiert und mitgebracht.

Wie sie sehen beschreibt dieser Absatz den Bildungs- und Erziehungsauftrag des Beruflichen Gymnasiums.
Beschränken wir uns doch einmal auf das Wesentliche.

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten.
Mit dem erfolgreich bestandenen Abitur 2008 bescheinigt euch die Emil-Possehl-Schule eine Studierfähigkeit.

Ihr verfügt nun über ausreichende Fachkenntnisse und Methoden, um beispielsweise den Anforderungen in einem zukünftigen Studium gewachsen zu sein.
Ihr habt unter Beweis gestellt, dass ihr im Team erfolgreich und zielorientiert arbeiten könnt.
Moderne Informationsmedien wie das Internet werden von euch genutzt. Dabei seid ihr euch durchaus bewusst, dass der Informationsgehalt kritisch bewertet werden muss.

Gut zugegeben, im Rahmen der Abiturklausuren haben wir euch dazu genötigt, eure Teamfähigkeit und den Umgang mit modernen Kommunikationsmedien auf ein Minimum zu reduzieren.

Im besonderen Maße waren es die Unterrichts- und fächerübergreifenden Projekte, die das von euch abverlangten, was über eine reine Fachlichkeit hinausgeht.
Ich kann mich gut daran erinnern, wie ihr in vielen Stunden -auch außerhalb des normalen Unterrichts- verbissen nach Lösungen in unseren Projektarbeiten gesucht habt. Ihr habt Durchhaltevermögen bewiesen wenn mal wieder eine zuvor scheinbar gute Idee nach Stunden zielsicher ins Leere führte. Aufgegeben habt ihr jedoch nicht, sondern seid weiter dem Ziel entgegengestrebt.
Das, meine lieben Abiturientinnen und Abiturienten, nenne ich Studierfähigkeit.

Habt bei dem, was euch zukünftig erwartet, keine Angst vor Niederlagen und Irrwegen. Der gerade Weg ist nicht der Einzige. Oft bringen Umwege ganz neue Ziele ins Licht. Manchmal ist es rückblickend sinnvoll, an einer bestimmten Stelle gescheitert zu sein. Macht Fehler, lernt daraus und vor allem: Steht wieder auf!
Ich wünsche euch, dass ihr zukünftig niemals euer Ziel aus den Augen verliert.

An die Eltern

Bevor sich meine Rede so langsam dem Ende zuneigt, ist es mir noch ein ganz besonderes Anliegen, ein paar Worte an die Eltern zu richten. Denn eure Eltern sind es, die einen entscheidenden Anteil daran tragen, dass ihr heute sagen könnt: Wir haben Abitur!

Liebe Eltern der Abiturientinnen und Abiturienten.
Ich bin sicher, dass sie hier mit gemischten Gefühlen sitzen.
Auf der einen Seite sind sie sicherlich stolz auf die Leistungen ihrer Kinder.
Auf der anderen Seite stellt sich ihnen sicherlich die Frage, wie ihre Kinder nun den folgenden Abschnitt in Richtung Berufsleben meistern werden. Einige von ihren Töchtern und Söhnen werden eventuell einen Beruf erlernen, andere beginnen ein Studium, vielleicht sogar im Ausland.
Sie stellen sich die Frage, wie ihre Kinder mit dieser neuen Herausforderung klar kommen werden. Ich kann diese Angst vor dem was kommt gut nachvollziehen. Ich habe selbst eine Tochter, die zwar noch kein Abitur bestanden hat (sie ist erst 10) aber die nach den Sommerferien auch in eine neue Schule in einer anderen Stadt mit anderen Lehrern gehen wird.
Ich möchte ihnen mit den Worten des zukünftigen Schulleiters meiner Tochter Mut machen, denn er sagte: "Liebe Eltern! Machen sie sich keine Gedanken! Es ist jedes Jahr das Gleiche. In den ersten zwei Wochen, in denen die Schüler bei uns sind, sind sie noch ängstlich und dann - ja dann werden sie frech!"

Schlussworte

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten.

Denjenigen von euch, die eine Berufsausbildung beginnen wollen wünsche ich viel Erfolg und viel Freude an eurer neuen Herausforderung.

Denjenigen von euch, die an eine Fachhochschule oder Universität gehen, möchte ich noch folgenden Tipp mit auf den Weg geben:

Wenn ihr euch eingelebt habt, dann schaut doch mal nach, wann an eurer Fachhochschule oder Universität im großen Vorlesungssaal die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle gespielt wird.

Über 60 Jahre ist der Film "Feuerzangenbowle" alt - und an den Unis ungemein populär. Zu Weihnachtspartys im Hörsaal rücken Studenten mit Weckern, Wunderkerzen und Glühwein an und spielen die schönsten Filmszenen mit.
Jeder Student kann sie erzählen - die Geschichte vom legendären Johannes Pfeiffer, der noch einmal die Schulbank drücken muss.
Und ihr liebe Abiturientinnen und Abiturienten solltet das auch können.
Sich zu amüsieren und gemeinsam Spaß am Studieren zu haben, das gehört nämlich auch zu der anfangs erwähnten Studierfähigkeit.

Wenn ihr in naher Zukunft nachmittags in der Bücherei seid und energisch versucht, den Vorlesungsstoff des Vormittags nachzuvollziehen, dann möchte ich euch dieses Zitat aus der Feuerzangenbowle mit auf den Weg geben:
Mit der Schule ist es wie mit der Medizin: Sie muss manchmal ein bisschen bitter schmecken, sonst nützt sie nichts.

Alles Gute für euch und vielen Dank fürs Zuhören !

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